Aus meinem Lektoren-Dasein

Ich bin keine Ärztin und habe auch nur medizinisches Laienwissen. Da ich mich aber seit einigen Jahren mit medizinischen (Fach-)Texten beschäftige, ist schon einiges an Wissen zusammengekommen. Heute möchte ich mal zeigen, womit ich mich genau beschäftige. Es wird ein bisschen fachlich, aber für den einen oder anderen sicher auch interessant.

Das Leben eine Schreibwerkstatt

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Ich bin vor kurzem auf ein Problem gestoßen. Anderen Lektoren oder Viellesern ist es bestimmt auch schon mal aufgefallen. Zumindest haben mir einige [VFLL](https://www.vfll.de/)-Mitglieder beigepflichtet. Es geht um die Groß- und Klein- sowie die Getrennt- und Zusammenschreibung bei medizinischen Begriffen. Genauer gesagt, medizinischen Begriffen, die im Umfeld von Therapien und Fachgebieten stehen.

Es gibt eine Reihe von Begriffen bzw. Phrasen, die ein wenig wie Neuschöpfungen wirken und in keinem Wörterbuch stehen. Auch nicht im Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe des Duden. Und: Oh wie sehr wünschte ich mir, sie stünden darin, damit die ewige Grübelei aufhört ^^

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Ich stoße permanent auf Folgendes:

  • kolorektale Chirurgie
  • chirurgische Endodontie
  • onkologische Chirurgie
  • minimalinvasive Chirurgie
  • ästhetische Zahnheilkunde
  • präventive Zahnheilkunde
  • restaurative Zahnheilkunde

Aber auch:

  • Medikamentöse Tumortherapie
  • Innere Medizin
  • Ästhetische Zahnmedizin
  • Forensische Odonto-Stomatologie

Um endlich zu verstehen, warum man die oberen klein und die unteren groß schreibt, musste ich mich in die Systematik der Wortbildung bei medizinischen Fachbegriffen einarbeiten. Dabei halfen mir u. a. auch das DocCheck Flexikon, Pschyrembel online und die Recherche nach Fachbüchern mit den jeweiligen Begriffen (bei Amazon z. B.).

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Die Wortbildung bei medizinischen Fachbegriffen ist zwar kein eigenes Gebiet in der Linguistik, aber es sind mir zumindest einige Spielregeln aufgefallen:

  • Je häufiger man das Wort in Groß- und je seltener man es in Kleinschreibung findet, desto wahrscheinlicher ist der Begriff „nur“ eine Konvention (v. a. im Werbeumfeld) und kein Fachbegriff ⇢ Kleinschreibung des Adjektivs
  • Echte Teilbereiche eines wissenschaftlichen Fachbereiches werden meistens groß geschrieben (siehe z. B. Endodontie), aber es gibt Ausnahmen: z. B. forensische Zahnmedizin.
  • Sie haben häufig einen griechischen oder lateinischen Ursprung.
  • Es gibt institutionalisierte, also offiziell (z. B. von einer Interessensgemeinschaft oder Vereinigung) anerkannte Verfahren und Weiterbildungen, die groß geschrieben werden wie z. B. Medikamentöse Tumortherapie, Facharzt für Innere Medizin, Curriculum „Ästhetische Zahnmedizin“, „Forensische Zahnmedizin“ ⇢ Gibt es einen Lehrgang oder Studiengang mit dem Begriff, kann man ihn wie einen Fachbegriff verwenden. Das heißt, er wird dann groß geschrieben.
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Wie man sieht, bin ich schon ein gutes Stück weiter und sehe endlich wieder Nächten mit viel Schlaf entgegen 🙂 Aber hin und wieder finde ich ganz neue Bildungen wie z. B. Body Adjustment. Ich glaube, solche Bildungen kommen meistens aus dem Englischen. Ich vermute daher, dass es unproblematisch ist, sie einfach so, wie sie sind, zu übernehmen. Früher oder später könnten sie jedoch eingedeutscht werden.

Ich hoffe jedenfalls, dass sich ihre Nutzer früher oder später mal auf eine einheitliche Schreibweise einigen können 😉

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01. Mai 2019 von nadine
Kategorien: Allgemein | Kommentare deaktiviert für Aus meinem Lektoren-Dasein